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Frank Herzog

Ratibor

2012
36 × 38 × 46 cm
Bronze
Beton-Sockel, Höhe 110 cm

Frank Herzog
*1949 in Bückeburg
lebt und arbeitet in Eichelhardt

››› https://www.frank-herzog.com

Wird ein Skulpturenpark mit Sorgfalt angelegt wie das ›Tal‹, finden alle ortsbezogenen Kunstwerke in einem behutsamen Dialog mit der Natur zusammen. Zahlreiche Pflanzungen lassen ›im Tal‹ Räume und Zwischenräume ineinander übergehen, bilden Passagen und Orte zum Verweilen. Das klassische Gestaltungsprinzip von Nähe und Ferne liegt der Begegnung mit einem Werk zugrunde: man begibt sich zu ihm hin, verweilt, und entfernt sich. Über den Einstieg von Lutz Fritsch ins ›Tal‹ kommt man durch den ehema- ligen Mühlengraben, durch den Wald und er- lebt dann überraschend die offene Landschaft. Thomas Lehnerers Bronzeplastik Armer Mensch setzt sich hier in bescheidenem Maßstab zu einer großen Eiche ins Verhältnis. Dann lockt unvermutet eine kleine Lichtung. Der Blick fällt nahezu in Augenhöhe auf einen Hunde- kopf: Ratibor. Der Neufundländer Prinz Ratibor oder einfach kurz Ratibor (in der Ahnentafel hat er den Namen Reno vom Schwabenland) lebte von 1975 bis 1987 bei Familie Wortelkamp ›im Tal‹, in Hasselbach. Heute stehen hohe Bäume und Büsche an der Stelle, wo Ulla und Kim Wortelkamp Ratibor 1987 begraben haben. Für die Ratibor-Skulptur, die Frank Herzog 2012 schuf, wurde ein kleiner Verweilraum freigeschnitten.

Ulla Wortelkamp hat dem liebenswürdigen, stürmischen aber trotzdem behutsamen Ratibor ein ganzes Buch gewidmet, Gross muss er sein und schwarz, das Frank Herzog mit Zeichnungen und Aquarellen illustrierte.¹ Der Neufundländer Prinz Ratibor war ein Prachtexemplar seiner Rasse, er war ein echter Beschützer, wie mancher Neufundländer – Napoleon soll einmal von einem Neufundländer gerettet worden sein –, aber auch ein Schlitzohr, wenn es darum ging, seinem Bewegungsdrang Genüge zu tun – oder seiner geradezu legendären Leidenschaft fürs Autofahren.

Wie bannt man das Wesen dieses großen schönen schwarzen Tiers in Bronze? Frank Herzog ist es gelungen, Ratibor geradezu lebendig (aus) schauen zu lassen. Dank Ulla Wortelkamps Buch erfuhr Frank Herzog über das Wesen Ratibors. Er hat andere Neufundländer beobachtet, ihre Bewegungen studiert und in Skizzen und Zeichnungen festgehalten. Danach schuf er den Bronzekopf, zunächst als Holzskulptur, die dann gegossen wurde. Die Holzskulptur ist aus Linde, aus Hirnholz. Beim Hirnholz ist der Holzstamm quer zur Länge/zur Faser geschnitten, die Jahresringe sind als Kreise zu sehen, was hinten an der gegossenen Plastik gut erkennbar ist. Überhaupt verbindet sich die Holzstruktur fein mit der Fell-Wirkung. Eine hohe Stirn und die typische ›Denkerfalte‹ der Neufundländer, die stolz wie Ratibor ihren schweren Kopf tragen, zeichnet die Skulptur aus. Ratibor schaut ein wenig nach oben. In der Patina der Bronze sind nur kleine Details nachbearbeitet, bemalt. In ihrer natürlichen Patina wird bei Bronze die Farbigkeit ja ›verkehrt‹, was hell war, wird dunkel, was dunkel war, hell. Auf dem Sockel ist die Skulptur leicht ›verrutscht‹, was dem Hund etwas verspielt Lebendiges gibt, so wirkt er nicht starr und blockig. Ratibor ist leicht überdimensioniert, um die Massigkeit des Neufund- länders zum Ausdruck zu bringen, was besonders gut in der Seitenansicht der Skulptur nachzuvollziehen ist.

In seinen Fräulein-Porträts und Fräulein-Vasen von 2007 hat Frank Herzog sich schon mit malerischen und plastischen Porträts seines Hundes, eines kleinen quirligen Papillons, einen Namen gemacht.² Der 1949 in Bückeburg geborene Maler und Bildhauer war Mitbegründer der Projektgruppe Kunst und Politik (KuPO), lehrte an der Fachhochschule Bielefeld und lebt und arbeitet seit 2003 in Eichelhardt im Westerwald, nicht weit von Hasselbach entfernt.

Frank Herzog bannt die Erinnerung an ein Tier, das es wirklich gab, das lieb gewonnene Wesen Ratibor. Kopf und Sockel bilden eine Einheit, erreichen eine Größe, die fast Menschenmaß hat, unterstreichen so die Bedeutung des Hundes für seine Besitzer. Der mächtige Kopf wirkt real und irreal zugleich, ähnlich dem großen und kleinen weißen Pferd von Johannes Brus auf der Höhe der Anlage ›im Tal‹. Auch die humorvollen Figuren von Fritz Schwegler Glockenfuß und Vasenkopf könnten sich aus ihrem Versteck im Wald, der Mihr zu Ratibor bewegen wollen. Diese erinnern mich an Frank Herzogs ›Vasenköpfe‹ in der Zusammenführung von Hund und Vase bei den erwähnten Fräulein-Vasen. Köpfe, die aus einer Vase auftauchen, können auch wieder darin verschwinden. Auch der Betrachter verschwindet wieder, er macht sich auf den Weg, verlässt den Verweilraum, den Gedenkort für Ratibor, und begibt sich zu Heinrich Brummacks Ort der Harmonie, der in ganz anderer Weise, in ›lauter Stille‹ zum Verweilen lädt. Hier erhascht er zwischen den Bäumen hindurch noch einmal einen Blick auf Ratibor.

In seiner Ausrichtung danach, was die Natur an Ausblicken zu bieten hat, Bodenmodellierung und Anordnung der Pflanzen, den Raumstrukturen, gleicht das Tal einem Englischen Landschaftsgarten des 18. Jahrhunderts. Die Engländer sind große Hundeverehrer, auch hier gab es schon Hundegräber. Grab- und Denkmäler für Tiere entstanden, nachdem sich seit der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts zahlreiche Gartenbesitzer in ihren Garten- und Parkanlagen beisetzen ließen³, eine Verbindung, die weit zurück bis in die alten Hochkulturen reicht.⁴ Der junge Lord Byron ließ seinem Hund Boatswain 1808 im Gartendes Familienanwesens in Newstead Abbey (Nottinghamshire) ein Grabmonument mit Epitaph errichten.⁵ In Ludwigslust in Mecklenburg-Vorpommern gibt es ein repräsentativ gestaltetes Gartengrab für das verstorbene Lieblingspferd des Herzogs Friedrich Franz I. von Mecklenburg-Schwerin. Schon Friedrich II. von Preußen hatte beabsichtigt, sich auf der obersten Gartenterrasse von Schloss Sanssouci im Kreise seiner verstorbenen Hunde begraben zu lassen. Tiere, die für ihre Besitzer von emotionaler Bedeutung waren, wurden und werden mit eigenen Porträts und Biografien als Individuen charakterisiert und verehrt. Ein jüngeres Beispiel ist ein Hundegrab im Garten der Villa Wahnfried am Rande des Bayreuther Hofgartens: »Hier ruht und wacht Wagners Russ«, Richard Wagners Hund, übrigens auch ein Neufundländer. Der Bildhauer Ottmar Hörl hat ihn in seiner Arbeit Wagner’s Hund 1.000 Mal in Kunststoff gießen lassen. Ratibor bleibt einzigartig. Und er hat nicht nur ein literarisches und ein plastisches Denkmal erhalten, in der Skulptur von Frank Herzog nimmt er es locker mit einem ganzen Skulpturenpark auf.

Daniela Roth

1Ulla Wortelkamp, Gross muss er sein und schwarz. Geschichten. Aquarelle/Zeichnungen von Frank Herzog. In der Reihe: eigene Wege im Tal 06, hg. von Jörg van den Berg für die ›im Tal – Stiftung Wortelkamp‹, Hasselbach 2012
2 Frank Herzog, Zurück in die Kunstgeschichte. Kerber Verlag Bielefeld/Leipzig 2009
3 Sascha Winter, »Könnt’ man mit Tieren Freundschaft haben, so läge hier mein Freund.« Grab- und Denkmäler für Tiere in Gärten und Parks des 18. Jahrhunderts. In: Traverse, Zeitschrift für Geschichte – Revue d’histoire 3 (2008), S. 29–43, S. 31
4 Annette Dorgerloh, Gartengräber – Legitimationslinien einer neuen Bauaufgabe . In: Petra Martin et al. (Hg.), Monumente im Garten – der Garten als Monument, Stuttgart 2012, S. 51-58, S. 53
5 Winter, a.a.O., S. 29