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Krimhild Becker

ohne Titel

2001
Beton 235 × 20,5 × 430 cm
Fotografie auf Glas 199 × 119,5 × 0,7 cm
Licht 153 × 3 cm

Krimhild Becker
*1940 in Bonn
†2010 in Köln

Passagen

Für ihre bislang einzige Arbeit im Außenraum hat Krimhild Becker einen kongenialen Ort gewählt. Eine Lichtung im Waldstück, die den Blick frei gibt auf den angrenzenden Friedhof. Es ist ein Ort des Innehaltens und Verweilens, des Sinnierens und des Ahnens. Gleichzeitig handelt es sich um einen denkbar unprätentiösen Ort, der nicht durch eine exponierte Aussichtslage auf sich aufmerksam macht, sondern eher still und am Rande entdeckt werden will. Krimhild Becker hat ihr Photo-Triptychon auf dem Scheitel zwischen schützenden Baumreihen und dem weitläufigen Gräberfeld platziert, zwischen aufwärtsstrebenden Baumspitzen und sich in die Tiefe der Landschaft ausdehnender Weite, zwischen hell und dunkel, offen und geschlossen.

In Beckers dreiteiliger, menschenhoher Arbeit wird dieses Dazwischen thematisch. Die mittels eines speziellen Siebdruck-Verfahrens auf das Glas gedruckten Photos zeigen die für das Schaffen der Künstlerin zentralen Androiden und Roboter – Leiber, Rümpfe, Beine, Arme und Hände. Die einerseits vertraut, andererseits befremdlich wirkenden ›Glasmenschen‹ scheinen einer fernen Welt entsprungen und selbst im Übergang begriffen. Ihre betonte und doch abstrakt bleibende Körperlichkeit erfährt durch die Transparenz der Gliedmaßen eine Leichtigkeit, wie sie nur in der Virtualität des schwerelosen Raumes existiert. Unterstützt wird der Eindruck des Schwebenden durch den Abstand zwischen den Glasscheiben und der tragenden Betonwand, auf dem diese montiert sind. Durch die für Krimhild Becker charakteristischen ›Lichtlinien‹ zwischen den drei einzelnen Bildtafeln – sie greifen die Senkrechte wieder auf – verschwimmen die Übergänge in einem diffusen Zwischenstadium und scheinen zu vibrieren. Die sich auf dem schwarzen Fond stark abhebenden Leiber entfalten eine sogähnliche Tiefenwirkung. Gespiegelt von den reflektierenden Glasoberflächen werden der Betrachter wie die unmittelbare veränderliche Umgebung ihrerseits zum integralen Bildbestandteil. Gleichzeitig beginnen die Körper einen Tanz über das Bild hinaus und in die Natur hinein. Ein unentwegter und dynamischer Austausch zwischen den Welten, Dimensionen und Zuständen, der sich dem vorübergehenden Betrachter buchstäblich en passant erschließt. Es ist das Bewegungsmoment, das zum Schlüssel der (Selbst-)Wahrnehmung wird: der Betrachter spiegelt sich selbst in seiner Durchgangspassage. Durchgänge durch die unaufhörlichen Wandlungen des Lebens, in denen sich Körper und Geist, Natur und Kultur, Licht und Schatten immer wieder neu durchdringen. Beckers Arbeit steht an der Lichtung zwischen den vermeintlichen Gegensätzen und zeigt deren fließende Übergänge. Ein Ort der Ruhe, der gerade erst durch die Dynamik als ein solcher verstärkt wird. Transformationen des Seienden – blendend.

Ulli Seegers

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